223 zurück in mein Kinderzimmer nach Hamburg, ich fühlte mich dafür zu reif. Ich danke meinen Eltern sehr für ihre Geduld und ihre Akzeptanz. Gemeinsam suchten wir ein passendes Internat in Deutschland, trafen Müllers und ich habe mein Abitur in ihrer Obhut, mit deutlich wenigeren Stunden Nachsitzen, absolviert. Wie hat das Internatsleben Sie beeinflusst? Franca Lehfeldt: Heute würde man es wohl „SelfManagement“ nennen, ich meine damit im Grunde sich selbst zu strukturieren und zu organisieren. Das beginnt beim Zimmeraufräumen und Wäschewaschen, endet damit die Freizeit zu gestalten. Heute arbeiten Sie als TV-Journalistin, war das schon früh Ihr Berufsziel? Franca Lehfeldt: Ja und nein, ich wollte gerne Journalistin werden. Aber mir fehlte ein Überblick der Branche, TV oder Print? Freiberuflich oder festangestellt? Studium oder Volontariat? Es gab viele Fragen, aber ich hatte keine Antworten. 2009 - während der Finanzkrise - habe ich Abitur gemacht, meine Eltern bestanden auf ein Studium abseits des Journalismus, um mich möglichst sicher für eine - zu diesem Zeitpunkt - ungewisse Zukunft aufzustellen. Der Deal war: Nach dem Studium kannst Du machen, was Du möchtest. Dass ich nach sieben Jahren immer noch TV-Journalistin werden wollte, ist für mich der Beweis: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Aber Sie studierten erst BWL, Hotel- und Marketingmanagement? France Lehfeldt: Über diese Entscheidung denke ich heute noch viel nach. Klar, die Servicebranche ist eine gute Schule. Du wirst demütig, du putzt Zimmer, stehst bis nachts in der Bar, arbeitest dann, wenn andere frei haben. Das formt die Persönlichkeit, ich habe viel gelernt. Aber aus heutiger Sicht hätte ich gerne Jura studiert. Es gibt Kollegen, beispielsweise meinen politischen Mentor Heiner Bremer, die haben durch ein Jurastudium eine exzellente Basis, sie können aus der Tiefe argumentieren und einordnen. Heute würde ich jungen Leuten diesen Weg empfehlen. Sie kennen Berlin gut als Journalistin - ist das eine Wohlfühloase, weil einem die Themen nur so zufliegen? Oder eher Haifischbecken wegen der Konkurrenz? Franca Lehfeldt: Haifischbecken. Aber ich hatte mich bewusst für die tagesaktuelle und politische Berichterstattung in Berlin entschieden. Man darf sich dabei nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, auch das lernt man bereits im Internat. Genauso wie mutig und neugierig zu sein. Als ich 27 Jahre alt war, saß ich zum ersten Mal auf einer Pressekonferenz der Bundeskanzlerin. Ich hatte eine Frage im Gepäck, die ich für unsere Redaktion stellen sollte. In diesem Moment habe ich fast das Atmen vergessen, aber im Internat lernt man auch seinen Mut zusammenzunehmen und vor der Gruppe aufzutreten. Meine Zeit im Internat hat mir schon oft geholfen. Zum Thema Mediennutzung - welchen Tipp haben Sie für junge Menschen? Franca Lehfeldt: Versucht eure Informationen nicht nur aus einem Medium zu beziehen. Damit meine ich besonders SONSTIGES die Sozialen Netzwerke. Klar, heute findet man alles auf „Snapchat“ oder „TikTok“, aber es schadet wirklich nicht, täglich eine Zeitung zu lesen oder eine Nachrichtensendung zu sehen. Das ist praktisch wie Zähneputzen - Routine. Am Ende kann man immer mitsprechen und hat alles zumindest mal gehört. Und hinterfragt was ihr hört oder seht; nur weil ein Medium eine gewisse Haltung hat, sollte man sie nicht automatisch übernehmen. Kritisches Nachdenken oder Hinterfragen macht mindestens 50 Prozent der Mediennutzung aus. Haben Sie Vorbilder im Journalismus? Franca Lehfeldt: Ein Vorbild habe ich nicht. Im Internat habe ich gelernt und verinnerlicht, dass deine persönliche Individualität ein hohes Gut ist, vielleicht das wichtigste. Wie jemand anderes zu sein oder werden zu wollen, kam mir daher nie in den Sinn. Sich selbst treu zu bleiben, sich selbst zu kennen, das ist für jeden jungen Menschen wohl eine echte Herausforderung. „Leuchttürme“ sind daher wichtig. Drei Menschen kommen mir in den Kopf, zu denen ich oft hinschaue, die „Leuchttürme“ für mich sind. Kultjournalist Heiner Bremer - er stellt die Fragen, die gestellt werden müssen. Hart in der Sache, aber immer fair. Heiner ist uneitel, stellt sich hinter die Nachricht, ist ein Charaktermensch. Und Stefan Aust, er ist viel investigativ unterwegs, sehr eigensinnig, hat den Journalismus der Wiedervereinigung maßgeblich geprägt. Er ist das lebende Beispiel dafür, wie wichtig gute Quellen und ein gepflegtes Telefonbuch sind. Und Beyoncé - nicht lachen, aber diese unfassbare Energie und Power imponieren mir. Sie ist keine Feministin im quengelnden oder empörten Sinne, wie es heute schick ist. Sie lebt ihre Botschaft. Frau zu sein, sich auf Augenhöhe mit dem Leben zu sehen und nicht die Opferrolle einzunehmen, um Veränderungen zu erzwingen, die man mit Selbstbewusstsein abräumen kann. Das sind meine Top Drei. Ihr Maxime als Journalistin? Franca Lehfeldt: Da bin ich ganz bei SPIEGEL-Gründer Rudolf Augstein, dessen Leitspruch für Journalisten lautete: „Sagen, was ist.“ Interview mit Franca Lehfeldt Schuljahr 2021/2022
RkJQdWJsaXNoZXIy MTk5OTE2MA==